Der Ort Wirbelau
Die Gegend von Wirbelau war bereits früh besiedelt, wie die 21 eisenzeitlichen Hügelgräber in der Nähe der alten Landstraße von Runkel nach Weilburg belegen. Urkundlich wurde der Ort selbst jedoch erst 1235 unter der Bezeichnung Wirinlouwe erwähnt, als Erzbischof Dietrich von Trier den Adligen Enolf als Burgmann zu Montabaur mit hiesigen Gütern belehnte. Neben den Trierer Bischöfen als geistlichen Besitzern erwarben die adligen Herren von Runkel 1314 und 1325 kleinere Güter in Haselau (später verlassenes Dorf zwischen Schupbach und Wirbelau) und Wirbelau. Die gesamte Herrschaft über Wirbelau erwarben die Grafen (später Fürsten) von Wied-Runkel 1462 und behielten diese bis in das 19. Jh. hinein. Das Leben seit dem Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert war gekennzeichnet vom Dienst der leibeigenen Bauern für den Herrn. Nur zwei bis drei Tage in der Woche hatten sie Zeit, ihr ei-genes Land zu bestellen, ansonsten waren Frondienste zu leisten. Das Leben wurde während der schlimmen Zeit des Dreißigjährigen Krieges besonders hart. Auf der nahen Runkeler Straße ziehende Soldatentrupps plünderten und brandschatzten in den Kriegsjahren öfters den Ort. Gab es 1590 in Wirbelau noch 18 Haushalte, also circa 150 bis 200 Einwohner, standen im Jahre 1642 nur noch ganze fünf Häuser. Die Einwohnerschaft wurde wie in fast ganz Mitteleuropa durch Morde, Hunger und Seuchen erheblich dezimiert. Erst nach dem Krieg verbesserte sich die Lage der Bauern wieder etwas. Nach der Auflösung der Herrschaft Runkel kam Wirbelau zum Großherzogtum Berg, dann 1813 zu Nassau-Oranien und nur zwei Jahre später an das Herzogtum Nassau. Kirchlich gesehen gehörte Wirbelau zusammen mit Eschenau und Gaudernbach zum Kirchspiel Schupbach, jedoch besaßen die Wirbelauer einen großen Vorteil. Sie besaßen ein eigenes Gotteshaus und mussten nicht wie die Bewohner mancher anderer Dörfer kilometerweit zu den Gottesdiensten zum Pfarrort laufen oder fahren.
Die Friedhofskapelle
Die Friedhofskapelle erhebt sich nordöstlich oberhalb der heutigen Ortslage auf einer Hügelkuppe. Sie besitzt den Grundriss eines Rechtecks, dem am Ostende ein etwas schma-lerer, annähernd quadratischer Chorbau angefügt ist. Ein verschiefertes Satteldach mit zwei Standgauben überdeckt Kirchenschiff und Chor. Auf der Südseite des Langhauses blieben noch zwei der ursprünglichen kleinen Rundbogenfensterchen erhalten, zwischen ihnen war – ablesbar am Mauerwerk – ein rundbogiges Portal, welches in späterer Zeit zugemauert worden ist. Die größeren spitzbogigen Fenster wurden höchstwahrscheinlich im späteren Mittelalter eingebrochen. Der einzige heutige Zugang liegt neben der Südwestecke der Kirche und ist wahrscheinlich erst in der Neuzeit eingebrochen worden. Auf der Westseite befand sich ein wieteres, heute zugemauertes Portal. Die gesamte Nordseite besaß kein einziges Fenster, jedoch ist eine kleinere, ebenfalls zugesetzte Rundbogenöffnung in deren westlicher Hälfte erkennbar. Ob das Rundbogenfenster in der Ostwand des Chores noch seine Originalgröße besitzt oder später vergrößert wurde, muss offen bleiben.
Die Schlichtheit der Architektur und die winzigen bauzeitlichen Fenster des Langhauses weisen auf ein hohes Alter des Baus. Dies wird noch durch die Mauerwerkstechnik bestätigt, da die fast ein Meter starken Wände in der Steinverbundtechnik des Ähren- bzw. Fischgrätmauerwerks errichtet wurden. Bei dieser ursprünglich aus der römischen Antike stammenden Technik des „opus reticulatum“ werden die großen Bruchsteine der Mauerwerksschale abwechselnd schräg geschichtet, so dass ein dekoratives Ährenmuster entsteht. Oft werden die schrägen Steinlagen durch ein oder mehrere Lagen horizontal geschichteter Steine unter-brochen, wie es auch in Wirbelau der Fall ist. Nördlich der Alpen wurde diese Bauweise bis um 1200 angewandt. Im Dekanat findet sich diese Art des Mauerwerks auch am Kirchturm von Weilmünster und am Chor der ev. Kirche von Essershausen – beide sind heute jedoch durch die spätere Verputzung nicht mehr sichtbar.
Das in Wirbelau sehr regelmäßig ausgeführte und von hoher Kunstfertigkeit zeugende Ährenmauerwerk findet sich am gesamten Bauwerk bis auf das Giebeldreieck der Ostseite, das einen regellosen Steinverband zeigt. Dies ist ein wichtiger Beleg, dass sich einst über dem Chor ein Turmaufbau erhob, der zu unbekannter Zeit bis zur Traufhöhe des Langhauses abgerissen wurde. Anschließend mauerte man ein neues Giebeldreieck in der Größe des westlichen Giebels und überdeckte den Turmstumpf gleich dem Langhaus mit einem Satteldach. Aufgrund dieses Befundes lässt sich schließen, dass die ursprüngliche Kapelle die Gestalt einer sogenannten Chorturmanlage besaß - eine sehr verbreitete Form romanischer Dorfkirchen. Die meist stattlichen Türme dienten oft als Zuflucht bei Kriegen und örtlichen Auseinandersetzungen und besaßen aus Sicherheitsgründen keinen direkten Zugang vom Kircheninnenraum aus, sondern waren nur durch Leitern von außen zu betreten. Ein anschauliches Vergleichsbeispiel zu Wirbelau ist die Barbarakirche in Reichenborn, die eine Chorturmanlage der Zeit um 1200 ist. Aufgrund der altertümlichen Gestaltung ist es wahrscheinlich, dass die Wirbelauer Friedhofs-kirche jedoch noch älter als das Reichenborner Gotteshaus ist und in die Zeit um 1100 datiert. Auf jeden Fall ist es das mit einigem Abstand älteste erhaltene und – bis auf den Turm – auch im Äußeren am wenigsten veränderte Gotteshaus innerhalb des Dekanats Weilburg. Bei einer archäologischen Bodenuntersuchung der Umgebung der Kapelle fanden sich nördlich von ihr die Fundamentreste eines stattlichen Hauses mit einem Fußboden aus glasierten Ziegeln. Dies bedeutet, dass sich in ihrer unmittelbaren Nähe das Gebäude einer höher gestellten Person befunden haben muss, ansonsten fanden sich aber keine Hinweise auf eine weitere Besiedlung, so dass sich auch das alte Dorf immer schon im Tal befand.
Der Kirchenraum und seine Ausstattung
Das Innere der Kirche ist ein schlichter Saalraum mit Flachdecke, der durch einen runden Chorbogen zum tonnengewölbten Altarraum geöffnet ist. Ursprünglich besaß das Schiff eine Holzbalkendecke mit einem Unterzug, der von einer spätgotischen Deckenstütze getragen wurde. Stützpfeiler und Unterzug wurden leider bei der Renovierung von 1961/62 entfernt und die Decke glatt verputzt, jedoch kann man sich anhand der erhaltenen Balkendecke der ev. Kapelle im Nachbarort Gaudernbach noch ein Bild des ursprünglichen, spätmittelalterlichen Zustands machen. Den oberen Bereich der Stütze mit vier gekehlten Bügen blieb glücklicherweise erhalten und fand eine Zweitverwendung als Kanzelfuß.
Das Langhaus wird hauptsächlich geprägt durch die zweiseitige Empore, die entlang der West- und der Nordwand verläuft. Sie ruht auf zwei Achteckpfeilern, deren Profilierungen ebenfalls auf eine spätgotische Entstehungszeit schließen lassen. Die ursprüngliche Emporenkonstruktion stammte nach einer früheren Datierungsinschrift von 1784, wurde aber bei der Sanierung der sechziger Jahre zum Großteil erneuert. Der untere Raum wird fast vollständig vom Gemeindegestühl eingenommen, das ebenfalls stark erneuert wurde, wobei einige der alten Wangen erhalten blieben, darunter eine mit dem eingeschnitzten Entstehungsjahr 1710, welches mit der barock geschwungenen Form der Wangen korrespondiert. Während die meisten schlichte Kerbreliefs zeigen, sind einige wenige mit Volutenschwüngen und floralen Motiven verziert. Eine der Wangen trägt die Inschrift:
WO . stOlTZ . ist .
DA. ist. AUCH. SCHM
AbER . WEIS . HEIT . is .
bEY . DEN . DEMUD
GEN SRÜCHL
SALOMON . ii CAP
(„Wo Stolz ist, da ist auch Schande; aber Weisheit ist bei den Demütigen“, Sprüche Salomos Kap. 11, Vers 2).
Auch die Kanzel stammt noch aus der Zeit des späteren 18. Jahrhunderts. Typisch für ihre Entstehungszeit ist die Art der Brüstungsfelderung, die hier zwei Reihen kreuzförmiger Füllungen zeigt, die durch rahmende Profile umschrieben werden. Der obere Abschluss ist mit einem Klötzchenfries geschmückt. Ein Aquarellbild von Rudolf Fuchs vor den Veränderungen von 1961/62 zeigt, dass der ursprüngliche Zugang zur Kanzel durch eine Trittstufe vom Chor aus erfolgte und sich dort eine Tür mit barocken Beschlägen befand. Auch der in den fünfziger Jahren noch vorhandene, zugehörige Schalldeckel ging leider zwischenzeitlich verloren. Wie oben bereits erläutert, ist das heutige Kannzelpostament das Stützkapitell des ursprünglichen spätgotischen Deckenpfeilers.
Taufstein
Der Taufstein aus Wirbelauer Marmor wurde von Hans-Jürgen Heil aus Wirbelau aus Anlass seiner goldenen Konfirmation gestiftet. Am 16.09.2007 war die Einweihung.
Der Chor
Der Rundbogen zum Altarraum ist durch eine graue Farbgebung mit hellen Fugenstrichen von den weißen Wänden abgesetzt. Dieser Anstrich ist zwar nicht original, greift aber zurück auf viele mittelalterliche Vorbilder, die hierdurch einen „höherwertigen“, aus gehauenen Steinquadern errichteten Bauteil vortäuschen wollten. Der Altar aus Eichenholz, den Werner Becker aus Wirbelau in den 50ern angefertigt hat, wurde 2013 durch einen Altar aus Wirbelauer Marmor ersetzt. Die Ausführung der Arbeiten übernahm die Firma Armin Klotz aus Weinbach. Der kleine hölzerne Tischaltar in der Mitte des Altarraums wird umgeben von Wandbänken, die ursprünglich als Sitzplätze der Honoratioren und Kirchenältesten dienten. Zwei Fenster belichten den Chor, eines in der Südwand, welches wohl im Spätmittelalter eingebrochen wurde, sowie das östliche Rundbogenfenster, das sehr wahrscheinlich original ist und höchstens vergrößert wurde. In ihm ist ein vielfarbiges Glasbild von 1955 eingelassen. Laut der Inschrift stammt es von dem Diezer Künster Rudolf Fuchs und wurde durch die Glaswerkstatt Gustav van Treeck in München ausgeführt. Die Darstellung zeigt die Figur des auferstandenen Christus mit der Siegesfahne in der Hand über dem offenen Grab. Über dem hellen Gewand hängt ein violettes Manteltuch, die Farbe erinnert an die vergangene Passion. Rechts von ihm ein noch schlafender Wächter, links ein weiterer Soldat, der erschrocken aufblickt, während seine Streitaxt nutzlos herabhängt. Der Schöpfer des künstlerischen Entwurfs, Rudolf Fuchs wurde am 03. Aug. 1898 in Diez geboren und besuchte nach dem Abitur die Kunstakademie München und war Schüler von Prof. Dr. Karl Becker. 1934/35 war er maßgeblich an der Freilegung und Restaurierung der Fresken im Limburger Dom beteiligt. Bis zu seinem Tod am 20.01.1985 arbeitete er als Kunstmaler und Graphiker, zudem entwarf er viele Fresken und Mosaike und schuf Buntglasfenster. Anlässlich seines 100. Geburtstags ehrten ihn die Städte Limburg und Diez mit zwei Ausstellungen. Insgesamt hat er circa 40 Kirchenfenster (zum Beispiel in der Jakobuskirche Freiendiez und der Marienkirche in Bad Homburg) gestaltet.
Die Orgel
Die alte Orgel (Fa. Hess, Durlach, 1950: Gedackt 8‘, Praestant 4‘, Prinzipal 2‘, Cymbel 3fach; pneumatische Traktur), die 1991 aus Mannheim erworben wurde, wurde in Falkenbach ab 2007 nicht mehr gebraucht. Daher entschieden die Kirchenvorstände Gräveneck-Falkenbach und Wirbelau, die Orgel zu überarbeiten und erweitert in Wirbelau aufzustellen und damit das bisher benutzte alte elektronische Gerät zu ersetzen.
Die Orgelbau-Firma Hardt in Möttau setzte die Idee um: Ein altes Spieltischgehäuse wurde überarbeitet und eine neue Registersteuerung mit 13 Wippen (4 Manualregister mit geteilter Windlade – Diskant und Bass – sowie drei Koppeln und zwei Pedalregister) eingebaut. Unter Mitwirkung des Konfirmandenjahrgangs 2013 und von Pfarrer Martin Frölich schuf die Orgelbaufirma Hardt ein sehr vielseitiges und klangschönes , dabei sehr kompaktes Instrument:
Manual (geteilte Windlade): Gedackt 8‘, Prinzipal 4‘, Flöte 4‘, Oktave 2‘, Superoktavkoppel, Suboktavkoppel
Pedal: Subbass 16‘, Gedecktbass 8‘, Pedalkoppel
Die Einweihung war am Pfingstsonntag 2014.
Glockenturm und Glocken
Ein aus Stahlträgern errichteter Glockenturm wurde im Jahre 2001 ca. 25 Meter westlich des Gotteshauses errichtet. Darin hängen zwei Glocken von 1920, die von der Glockengießerei Rincker in Sinn gegossen worden waren und ursprünglich in dem kleinen Dachreiter der alten Schule des Ortes ihren Dienst taten. Nach dessen Abriss im Jahre 1988 wurden sie erst eingelagert, bis sie auf den Friedhof kamen. Sie tragen die Inschriften „Ehre sei Gotte in der Höhe“ und „Friede auf Erden“.
In dieser Stelle herzlichen Dank an Frau Dr. Verena Fuchß für die Erstellung der vorstehenden Dokumentation.
Wandmalerei vor der Renovierung des Altarraumes 1955
Das Gemälde, ein Aquarell von dem Maler Rudolf Fuchs, zeigt die Wirbelauer Kirche vor deren Renovierung im Jahre 1955. Auch die Wandmalerei stammte von Rudolf Fuchs. Bei der Renovierung wurde der Innenputz der Kirche abgetragen und erneuert. Damit ging auch die Wandmalerei verloren. Rudolf Fuchs starb 1985 im Alter von 93 Jahren.
Der heutige Altarraum
Das Gemeindehaus
In der Nähe der Stadthalle Wirbelau wurde das ev. Gemeindehaus errichtet.
Neben dem Pfarrbüro ist auch ein Gemeinschaftsraum vorhanden. In diesem werden in der kalten Jahreszeit die Gottesdienste abgehalten, da der Weg zur Kapelle im Winter nicht gestreut wird.